Anja Hartung ist Juristin und Beauftragte für regulatorische Grundsatzfragen bei Veolia. Sie erläutert die wichtigsten Anforderungen aus dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) und die Pflichten für Unternehmen zur Ermittlung des gesamten Endenergieverbrauchs.
VEOLUTIONS: Für wen gilt das Energieffizienzgesetz?
Anja Hartung: Zum einen gilt das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) für alle Unternehmen, die einen durchschnittlichen Jahresgesamtenergieverbrauch von mehr als 7,5 GWh haben, und zwar im Schnitt über die letzten drei Kalenderjahre berechnet. Sie müssen innerhalb von 20 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (18. November 2023) ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einführen und betreiben. Wichtig ist: Bei der Berechnung des Jahresgesamtenergieverbrauchs müssen sämtliche Energieträger einbezogen werden: Wärme, Strom, Kraftstoffe, Brennstoffe, Druckluft sowie Dampf.
Zum anderen sind alle Unternehmen mit einem durchschnittlichen Gesamtenergieverbrauch von mehr als 2,5 GWh pro Jahr zur Abwärmenutzung verpflichtet. Das heißt: Sie müssen ihr Abwärmepotenzial ermitteln und nutzen, sofern es wirtschaftlich und technisch zumutbar ist. Und: Die geführten Abwärmequellen müssen auf der Abwärmeplattform der Bundesstelle für Energieffizienz (BfEE) gemeldet werden.
VEOLUTIONS: Welche der gesetzlichen Anforderungen sind komplett neu?
Anja Hartung: Das EnEfG schreibt erstmals die Ermittlung der Abwärme und deren Nutzung vor. Das ist ein Novum und stellt die Unternehmen vor die Aufgabe, ihre gesamten Abwärmequellen zu ermitteln und zu bewerten, was verwendbare und was nicht verwendbare Abwärme ist. Und was das Energiemanagementsystem (EMS) betrifft: Auch wenn viele Unternehmen bereits über ein EMS verfügen, gab es bisher keine Pflicht für dessen Einführung. Ein EMS war bisher nur Pflicht, wenn man bestimmte Vergünstigungen wie zum Beispiel eine Rückerstattung der Stromsteuer gemäß § 10 StromStG oder die Besondere Ausgleichsregelung geltend machen wollte. Gemäß Energiedienstleistungsgesetz reichten auch bei einem hohen Energieverbrauch regelmäßige Audits. Jetzt müssen alle Unternehmen ab einem Verbrauch von 7,5 GWh ein EMS einführen, sie brauchen einen EMS-Beauftragten, es muss jedes Jahr ein Prüfer kommen, sie müssen einen Maßnahmenplan für wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen erstellen und die Anforderungen sind weitaus höher als bei einem Audit. Aber darin steckt natürlich auch eine große Chance, Energiekosten und den eigenen CO2-Ausstoß zu senken.
VEOLUTIONS: Und was ist mit den Unternehmen, die weniger als 7,5 GWh verbrauchen? Welche gesetzlichen Pflichten gelten für sie?
Anja Hartung: Die Pflichten für alle anderen Unternehmen sind im Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) geregelt, gestaffelt nach dem Gesamtenergieverbrauch. Bei einem Verbrauch zwischen 0,1 und 500 MWh müssen Unternehmen alle vier Jahre eine vereinfachte Online-Erklärung abgeben, benötigen dafür aber keinen Auditor. Ab einem Verbrauch von 501 MWh sind sie verpflichtet, ein Energieaudit durch einen fachkundigen Auditor durchführen zu lassen und das Ergebnis dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu melden. Auch Nullmeldungen für verbrauchslose Gesellschaften (z.Bsp. Mantelgesellschaften) müssen alle vier Jahre eingereicht werden. Sämtliche Anforderungen sind in unserer Checkliste aufgeführt und geben insbesondere Unternehmensgruppen einen Überblick, was sie wann, wo und wie machen müssen. Außerdem hat ÖKOTEC weitere Informationen zu den Pflichten von Unternehmen übersichtlich auf einer Website zusammengestellt.
VEOLUTIONS: Auch wenn das Energiemanagementsystem nach dem EnEfG für die betreffenden Unternehmen eine Pflicht ist, welche Vorteile bietet es?
Anja Hartung: Ein EMS ermöglicht es, jederzeit einen genauen Überblick über alle Energieverbräuche zu haben und daraus Maßnahmen zur Energiereduzierung abzuleiten. Um dies einmal an einem Beispiel aus der Veolia Gruppe zu beschreiben: Das Veolia Tochterunternehmen Biocycling nutzt zum Beispiel EnEffCo® von ÖKOTEC (ebenfalls ein Veolia Tochterunternehmen). Damit sind beispielsweise alle Zählerwerte auf Mausklick abrufbar, Effizienzkennzahlen lassen sich automatisch generieren und menschliche Fehlerquellen können minimiert werden. Auf dieser Basis können sinnvolle Energiesparmaßnahmen umgesetzt werden. Auch als Grundlage für gesetzliche Meldepflichten und Rückerstattungsanträge nach Strom-und Energiesteuergesetz vereinfacht die Software die Arbeit erheblich.
EnEffCo® ist die umfassende Softwarelösung für ganzheitliches Energieeffizienz-Controlling, die sich bereits in über 100 Produktions- und 1.000 Handelsstandorten erfolgreicher national und international agierender Unternehmen erfolgreich bewährt hat. Weitere Informationen finden sie hier:
VEOLUTIONS: Werfen wir noch einen Blick auf das Abwärmekataster. Wie gehen Unternehmen das Thema sinnvoll an?
Anja Hartung: Im ersten Schritt geht es darum, den Prozess zu organisieren und Real-time-Daten zu sammeln. Auch das hat Biocycling, um bei diesem Beispiel zu bleiben, mithilfe von EnEffCo® und ÖKOTEC gemacht. Zum Start wurde der komplette Weg der Energie bei allen sechs Biogasanlagen durchgegangen, in Tabellen übertragen, anhand dessen die Abwärmepotenziale ermittelt und bewertet, welche meldepflichtig sind. Wichtig ist bei dieser Inventur, dass Fachleute mit Anlagenkenntnis eingebunden werden – entweder aus dem eigenen Unternehmen oder externe Experten. Und: Die Abwärme-Nutzungspflicht nach Paragraph 16 des EnEfG ist zu beachten. Wer diese verletzt, riskiert ein empfindliches Bußgeld.
VEOLUTIONS: Wie kann Veolia bei der EMS-Einführung oder der Erstellung eines Abwärmekatasters unterstützen?
Anja Hartung: Das Veolia Tochterunternehmen ÖKOTEC kann beide Themen bedienen. Experten begleiten Unternehmen bei der Einführung eines Energiemanagementsystems und der Erstellung eines Abwärmekatasters: mit technischem und operativem Know-how.
Ermittlungs- und Meldepflichten für Unternehmen
Die Pflichten für Unternehmen zur Ermittlung des gesamten Endenergieverbrauchs ergeben sich aus dem Energiedienstleistungsgesetz und dem Energieeffizienzgesetz.
- Die betreffenden Unternehmen müssen ihren durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch zu Beginn jedes Kalenderjahres für den Betrachtungszeitraum der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre rückwirkend bestimmen und über ein Online-Formular an das BAFA melden bzw. ein EMS einführen.
- Bei einem Verbrauch zwischen 0,1 und 500 MWh müssen Unternehmen alle vier Jahre eine vereinfachte Online-Erklärung abgeben, benötigen dafür aber keinen Auditor. Ab einem Verbrauch von 501 MWh sind sie verpflichtet, ein Energieaudit durch einen fachkundigen Auditor durchführen zu lassen und das Ergebnis der BAFA zu melden. Auch Nullmeldungen müssen alle vier Jahre eingereicht werden.
- Die jeweils verwendete Datengrundlage muss nachweisbar und überprüfbar sein. Liegen teilweise keine nachweisbaren Daten zum Energieverbrauch vor, sind plausible Schätzungen oder nachvollziehbare Hochrechnungen auf Basis anderweitiger Daten (z. B. Energiekennwerte) vorzunehmen.1
- Unternehmen mit einem durchschnittlichen jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 GWh/a sind zudem dazu verpflichtet, spätestens innerhalb von drei Jahren Umsetzungspläne für Energiesparmaßnahmen zu erstellen und zu veröffentlichen.
- Unternehmen, die ein zertifiziertes Energie- bzw. Umweltmanagementsystem nutzen oder dieses gerade einführen, sind nicht verpflichtet, eine Energieauditerklärung abzugeben. Auch sämtliche KMU sind von der Abgabe einer Online-Energieauditerklärung ausgenommen.
1 Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): Merkblatt „FAQ´s zu§ 8 ff. EDL-G/ §§ 8 - 10 EnEfG“
Weitere Informationen, Merkblätter und Formulare zum Thema Energieberatung und Energieaudit finden Sie beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: